Ich liebe Thomas Harris dafür, dass er schon in den frühen Achtzigern eine unsterbliche Kultfigur erfand, die gleichbedeutend mit den großen Schreckensgestalten der romantischen Literatur ist, wie etwa Dracula oder Frankensteins Monster.
Hannibal Lecter, ein menschenverachtender Psychopath, der zudem anerkannter Psychologe und ein wirklicher Gourmet der feinen französischen Küche ist, genießt es anderen Menschen Qual zu bereiten, er ist aber kein eindeutiger Sadist, er besitzt eine hedonistische Veranlagung und sein einziges Ziel ist die Lustgewinnung, der er auf seine ganz eigene Weise nachgeht.
Seine Auftritte in Thomas Harris Romanen sind zunächst klein, doch seine Persönlichkeit ist so faszinierend und dicht und eindrücklich, dass er die Bücher beherrscht.
Er erscheint als mysteriöse Nebenfigur in Roter Drache, hat einen beeindruckenden Einstand in Das Schweigen der Lämmer. In Hannibal geht Harris auf seine Psyche ein, versucht ihn dem Leser begreiflich zu machen und schafft es oft, diese kranke Gestalt wirklich menschlich und verletzlich darzustellen, obwohl er alles andere als ein normaler Mensch ist, geworden ist, nachdem er mit ansehen musste, wie seine süße Schwester Mischa im Winter '45 von Kriegsdeserteuren geschlachtet und verspeist wird. Genau darum geht es in Hannibal Rising, vielleicht dem schwächsten Teil der Reihe, denn hier scheint Hannibal ääh, Harris seinen Hauptakteur zu entschuldigen, für seine unmenschliche Seite, er entmystifiziert den großen Mythos des ausgehenden 20. Jahrhundert und macht ihn zu einem Opfer von Gewalt und Perversität.
Er raubt Hannibal seine dämonische Seele und ich will mein Bild dieses bösartigen Menschenfressers nicht zerstören lassen und werde mir den letzten Teil nicht anschaffen, zumal er noch etwa 20 Euro kostet.
Ich will Hannibal den Kannibalen so in Erinnerung behalten, wie ich ihn lieben gelernt habe, als fiesen kleinen Mann, der auf seine intellektuelle Weise anziehend und abstoßend zugleich ist und irgendwie haargenau so aussieht wie Anthony Hopkins.
Wer die Filme mag, sollte sich an die Bücher herantrauen, sie sind sogartig geschrieben und grausam und hart, sie ziehen einen in den Bann und doch muss man das Buch immer wieder kurz weglegen, denn wenn Hannibal die Jagdsaison eröffnet, gibt es nicht nur Hirschbries und solcherlei Delikatessen.
Ich kann nur empfehlen die Bücher zu kaufen und zu lesen, bei amazon.de oder ebay.de kann man die Bücher jederzeit in guter Qualität finden, so mache ich es auch und spare immer wieder ganz viel Knete.
Einen Kritikpunkt kann ich aber finden, neben der Geschmacklosigkeit der anderen Protagonisten, die alle neben Hannibal Lecter verblassen:
Thomas Harris schreibt sehr distanziert, er kommt seinen Figuren so nah, dringt in ihre tiefsten Empfindungen ein und seziert sie bei lebendigem, atmenden Leib, aber er kann keine Wärme für sie aufbringen. Man findet kaum Sympathie für die Personen, allen voran die Zauberhafte Clarice Starling, die in Das Schweigen der Lämmer gefühlvoll von ihm dargestellt wird, er haucht ihr Leben ein, macht sie stark und authentisch. Doch in Hannibal verkommt sie, wird seelenlos und schematisch, Harris hat scheinbar das Interesse an ihr verloren und gibt seinem diabolischen Mason Verger mehr Kraft und Buchvolumen, als die lebende Leiche verdient hätte.
Machen sie sich ihren eigenen Eindruck.
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