Mein Freund Steven J. (Ich bin mir nicht sicher, ob er hier mit vollem Namen Erwähnung finden möchte, da er die Popularität scheut und so nenne ich seinen Nachnamen nur mit einem J.) hat eine köstliche Kritik, wahrlich eine Polemik über den Film "Die Welle" nach dem beliebten Jugendroman von Morton Rhue verfasst und ich bat ihn, mir die Erlaubnis zu geben, dies hier zu posten.
Er gab sie mir, um allen Lesern dieses Blogs diesen Genuss nicht zu verwehren, ganz weit entfernt von aller Lobhudelei und dem verwerflichen Schönreden:
Er gab sie mir, um allen Lesern dieses Blogs diesen Genuss nicht zu verwehren, ganz weit entfernt von aller Lobhudelei und dem verwerflichen Schönreden:
Polemik "Die Welle" (Film)
Ein Film der vorgibt, ohne moralisch erhobenen (und damit massenuntauglichen) Zeigefinger, den Zuschauern die Grauen einer Diktatur näher zu bringen.
Nun, kann dieser Film seinem hohen, selbst auferlegten, Maßstab gerecht werden? Ich glaube nicht. Dieser Streifen wirkt eher wie ein Werbefilm für eine Diktatur.
Schon eingangs stellt sich dem kritischen Beobachter folgende Frage: Kann sich eine Jugendgruppe überhaupt mit einer Regierung vergleichen? Nein, kann sie natürlich nicht. Schon alleine daran scheitert dieser Film. Es geht weniger um eine Diktatur, als um eine kleine Gruppe "auserwählter". Eher um einen Club mit "Insider"-Ideologie, als um eine machtbesessene und herrische Diktatur.
Wo findet hier eine Ideologische Abgrenzung zum "Feind" statt? Bei einer Diktatur sind es Ausländer, Andersdenkende, Anhänger einer anderen Partei oder schlicht die anderen Staaten. In der Gruppe im Filmbeispiel geht es schlicht darum ob ich ein weißes Hemd trage und mich als dazugehörig deklariere. Aber wenn "ich bin dabei" als Merkmal einer Diktatur ausreicht, hätte der Film genausogut auch einen Fußballfanclub zum Thema haben können.
Eingangs wird im Film eine große Führerfigur als für eine Autokratie obligatorisch angegeben. Nur lässt die Handlung des Filmes eine solche Figur schmerzlich vermissen. Der Lehrer, welcher diese Figur eigentlich darstellen soll, lenkt die Geschicke des Clubs nicht, er sieht nur zu und wertet aus. Einmal wertet er sogar die Taten der Schüler als inakzeptabel, beweist also das er schlicht der Gruppe keine Ziele steckt oder Aufgaben gibt. Er wurde demokratisch gewählt, aber sein Einfluss geht nicht über die Schulstunden hinaus. Alle wirklichen, nach außen wirkenden Aktivitäten kommen von der Gruppe selbst.
Als wüsste man um diesen Umstand, soll die Lebensgefährtin des Lehrers durch Ablehnung den Zuschauer darauf hinweisen, das der "Diktator" langsam von einem Freigeist und Anarchisten zu einem despotischen Herrscher mutiert. Findet diese Verwandlung tatsächlich statt? Ich sage nein. Im Gegenteil, man könnte dieser Figur höchstens vorwerfen zu blauäugig durch die Szenerien zu stolpern, hat er doch mit der Gruppe nicht viel zu tun.
Der Streit, der durch diese angeblich vorhandene Wandlung zwischen den Lebensabschnittsgefährten entbrennt, wirkt daher umso aufgesetzter. Der Zuschauer versteht nicht, wieso die Frau sich so seltsam benimmt. Das selbe, wenn auch etwas milder, verspürt man gegenüber der Freundin eines der Hauptpersonen des Films. Auch ihre Handlungen scheinen keiner klaren Logik zu folgen und rein aus allgemeiner Ablehnung zu bestehen.
Natürlich ist es aber eben diese Freundin, zusammen mit einer Palästinenserbetuchten und Rastlockigen linksradikalen, die als einzige der "Welle" die Stirn bieten. Gerade die Palästinensertuchträgerin ist eine solche Unsympathin, das man den Drehbuchautoren schon fast Vorsatz vorwerfen muss.
Alleine die Szene, in der sie den Datenschutz, und damit die informationelle Selbstbestimmung (ein hohes demokratisches Gut), als nichtig erklärt um für ihre Protestaktion an die E-mail Adressen der Schüler zu kommen, disqualifiziert sie als moralische Instanz.
Gegen Ende der einzige Lichtblick, wenn auch nur im ersten Eindruck und bei oberflächlicher Betrachtung. Es ist eine Rede des "Führers" im Theatersaal der Schule. Der Welle-Führer prangert die Ungerechtigkeiten in bester populistischer Manier an. Natürlich entspricht dies der Vorstellung des Pöbels, er erhält tosenden Beifall und Applaus. Nun wird der Freund der Welle-Gegnerin, als einziger den Trick des Lehrers durchschauend, wegen ständiger Zwischenrufe von den Schülern auf die Bühne befördert.
Und dann.... genau diese Frage stellt der Lehrer nun den Schülern. "Was machen wir mit ihm? Köpfen? Foltern? Denn dies tut man in einer Diktatur! Warum habt ihr ihn hier herauf gebracht?" - "Weil Sie es uns befohlen haben.". Hier wird das einzige mal Kritik an einer Diktatur laut - in bester, oder besser gesagt: schmierigster Hollywood-Art. Kinder, wenn ihr blind tut was einer sagt ist dies nicht gut. Eine Weisheit die sicherlich auch im Kindergarten große Zustimmung finden würde.
Und da diese lasche Kritik nicht ausreicht, muss der Außenseiter der Schule, der durch "Die Welle" das erste mal Zuspruch von den Mitschülern, ja sogar das erste mal Freundschaft erlebt hat, nun eine Waffe auf die Mitschüler und den Lehrer richten. Natürlich schießt er, in einer dramatischen Szene, auf einen Mitschüler und wird daraufhin von seinem geliebten "Führer" (wobei nicht klar ist wieso er ihn als Leitfigur akzeptiert und bewundert) mit Worten bearbeitet. Als der Schütze nun merkt, in welcher Situation er sich befindet, richtet er die Waffe gegen sich selbst.
Mit diesen heftigen Szenen versucht der Film innerhalb von 5 Minuten die versäumte Kritik nachzuholen.
Nur war es eben kein "normaler" Schüler der diese schlimme Tat vollbrachte. Es war ein psychisch labiler Außenseiter. Ein Außenseiter der, wenn ich der Intention des Films folgen möchte, durch die Diktatur das erste mal Freunde und Zuspruch gefunden hat. Dieser arme Mensch möchte also durch die Gewalttat nur den Status Quo beibehalten, und nicht zurück in die freie, demokratische und kalte Welt in der wir leben.
Die eigentliche Kritik richtet sich also nicht an die Diktatur, gerade die heftige Kritik der Schlussminuten prangert offen unsere derzeitige Kultur, unsere Gesellschaft an. Kaltherzigkeit und Ellbogenmentalität unserer Jahre wird hier direkt und in einer blutigen Sprache dargestellt.
Das einzige das dem Film gerade noch gelingt ist, dem Zuschauer klar zu machen wie leicht manipulierbar, kritikarm und fügsam die meisten Einzelpersonen in der Masse werden. Dazu benötigt man aber keinen abendfüllenden Film. Für diese Erkenntnis genügt aber ein kurzer Blick in die Zuschauerzahlen der täglichen Gerichts- und Talkshows.