Samstag, August 15, 2009

Warum ich niemanden töten möchte

Das hier ist mein Kriegsdienstverweigerungsantrag, auf 3 Seiten musste ich begründen, warum ich keinen Dienst an der Waffe leisten kann. Alles was da steht, würde ich so unterschreiben… Stop, das habe ich ja ;-)

Es ist mir sehr ernst damit gewesen und ich habe es lange heraus gezögert, es zu schließlich zu schreiben. Einige der Punkte, die ich anführe, kamen mir in den Sinn, als ich auf einer abgegangenen Lawine in den Allgäuer Alpen einen Weg suchte, der mich nicht in den Abgrund stürzen ließ.

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich verweigere den Kriegsdienst aus Gewissensgründen und dies möchte ich Ihnen nun ausführlich darlegen:

In einem gesunden, wohl behüteten Elternhaus aufgewachsen, erhielt ich schon früh eine stark christliche Prägung. Ab dem Vierten Lebensjahr besuchte ich den katholischen Kindergarten in Stetten, im frühen Umgang mit anderen Kindern lernte ich, dass Gewalt keine Lösung ist. Niemals.
Ich lehne jede Art von Gewalt ab, besonders politisch oder religiös motivierte Gewalt gegenüber anders denkenden, anders gläubigen Menschen.
Es muss das Ziel einer Gesellschaft sein, den Frieden zu wahren und ein gutes Leben für ausdrücklich alle Mitglieder zu schaffen. Die Suche nach alternativen Lösungen für Konfliktsituationen muss einen Kompromiss ergeben, bei dem eine Seite zwangsweise den Kürzeren zieht und dies zum Wohl aller akzeptiert. Ohne Blutvergießen und Kettenrasseln.
Ich wurde protestantisch konfirmiert, habe mich intensiv mit meinem Glauben auseinandergesetzt und las einen Großteil der Bibel, was mir unsere Geschichte und die gesellschaftlichen Fehler der Vergangenheit sehr deutlich machte. Auch wenn ich mich nun nicht als gläubigen oder gar gottesfürchtigen Menschen bezeichnen kann, und mein Verständnis von Ethik und Moral sich nicht allein auf den Glauben begründet, in dem ich aufgewachsen bin, stehe ich doch zu den Idealen, für die das Christentum heute steht:
Nächstenliebe, Mitgefühl. Humanität.
„Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“, ist die prägnanteste mögliche Zusammenfassung. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass dies nicht mit einem Dienst an der Waffe zu vereinbaren ist, der erfordern würde, dass ich auf Befehl einen anderen Menschen verletzen oder gar töten müsste.

Ich war niemals ein Mitläufer und habe mir immer meine eigenen Gedanken gemacht. Unhinterfragt auf Befehl eines Vorgesetzten hin zu handeln würde meine Freiheit, meine Meinung einschränken und mich gegebenenfalls daran hindern, das Richtige zu tun. Ich müsste gegen besseres Wissen und Gewissen Folge leisten, andernfalls drohten mir Strafen, die mich zwingen würden mein eigenes Wohl über das meines „Feindes“ zu stellen.
Der Kriegsdienst würde es erfordern, dass im Training meine Hemmschwelle zum Schießen auf Menschen herab gesenkt würde, durch die Verwendung von Pappkameraden, die aus Karton und weit davon entfernt sind, echte Menschen widerzuspiegeln. Der menschliche Körper wird zu einem beliebigen Feindobjekt degradiert, das Wesen Mensch zu einem Ziel, das ohne Empfindung ausgeschaltet werden muss.

Tiere töten Tiere um sich zu ernähren, wir sind auch nur Tiere und Teil des Kreislaufs des Lebens. Ich esse Fleisch, aber müsste ich das Tier selbst töten, schlachten und verarbeiten, würde ich es nicht tun und eine andere Lösung wählen. Ein Verletzen oder Töten eines Tiers aus anderen Gründen als der Sicherung des Überlebens ist nicht akzeptabel.
Aber Menschen sind eben doch mehr als die meisten Tiere, da sie sich ihrer selbst bewusst ist. Alle hoch entwickelten, intelligenten, sozialen und „fühlenden“ Wesen ob Delfine, gewisse Vogelarten oder Menschenaffen, stehen mit uns auf dieser evolutionären Stufe und doch sind wir die einzigen Tiere, die ihre Umwelt nicht nur verändern, gestalten und selbst reflektiert wahrnehmen, wir können die Welt, die uns umgibt ergründen und verstehen lernen.
Das Leben eines Menschen ist in jeder Hinsicht nicht aufzuwiegen mit einem materiellen oder immateriellen Gegenstand, ob dies nun der Sieg in einer Schlacht oder ein gewonnener Meter Grenzland ist.

Nichts kann das Leben zurückgeben oder es ersetzen. Unsere Erde, mit dem Leben die sie hervorgebracht hat, ist womöglich einzigartig im ganzen Universum. Das Leben ist das höchste Gut, das wir besitzen.
Es wäre mir nicht möglich den befohlenen Mord als notwendig oder gerechtfertigt zu sehen. Ein Todesschuss bedeutet das Ende von Träumen und Hoffnungen, Liebe und Bewusstsein eines Einzelnen und er stürzt eventuell eine Familie aus ihren geordneten Verhältnissen in Trauer und Verlassenheit. Ich möchte diese Schuld nicht auf mich nehmen müssen.
Die Menschheitsgeschichte ist dominiert von Hass und Kriegen, wenn wir jetzt nichts aus unserer Vergangenheit lernen, sind wir verdammt, so weiter zu machen. Genozid, Terror, Folter.
Immer wieder werden von den Militärs Kriegsverbrechen befohlen oder gebilligt. Menschen machen Fehler. Verheerende Fehler.
Ich kenne die Schreckensbilder des Krieges aus den Medien und den Erzählungen meiner Großeltern. Es sind lebendige Erinnerungen an Dinge, die gerade einmal wenige Jahrzehnte zurückliegen.
Einfallende, halbverhungerte Russen die die jungen Frauen des Dorfs, in dem mein Großvater aufwuchs, vergewaltigten und meine Urgroßmutter nur verschonten, weil sie schon vier Kinder hatte.
Die Hungerjahre auf der Flucht, das Bombardement der Städte, die aufgeknüpften Toten am Straßenrand. Jungen, nur ein paar Jahre älter als mein Großvater damals und wesentlich jünger als ich heute, die sich geweigert hatten zu schießen, sie trugen Schilder auf denen „Ich bin ein Feigling!“ stand.
Ein Erschießungskommando, das den ältesten Bruder meines Opas an die Wand stellte, weil er desertiert war.
Mit der Schule besuchte ich die Maginot-Linie, Bunkerbauten und die Friedhöfe und das Gebeinhaus in Verdun. Ich kann es noch immer nicht fassen, Kreuze bis zum Horizont. Gestapelte Schädel.

Angesichts dieser Ungeheuerlichkeiten ist es mir unmöglich den Dienst an der Waffe zu leisten, der mich in ähnliche Situationen bringen könnte, der mich zwingen würde, anderen Menschen unbeschreibliche Dinge anzutun.
In Afghanistan herrscht Krieg, es fallen deutsche Soldaten in diesem Krieg und unser Land spricht dies nicht aus. Ich würde mein Leben nicht für die Verteidigung eines Landes geben, zumal dieses meinen Einsatz nicht zu würdigen weiß.
Ich fasse zusammen:

Alle Menschen sind gleichwertig, ihre Hautfarbe, ihre Nationalität, ihr Glaube oder Nichtglaube sind unbedeutend. Alle Menschen wollen das Gleiche für ihre Familien und ihre Zukunft.
„Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.“ (GG; Artikel 2, Absatz 2)
Meine Erziehung, mein Wissen, meine Überzeugung lassen nicht zu, dass ich mich bewaffne und auf Geheiß töte.
Nun berufe ich mich bei meinem Antrag auf Kriegsdienstverweigerung auf das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (GG; Artikel 4, Absatz 3):
„Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden.“

Mit freundlichen Grüßen,

Norman Eschenfelder

1 Kommentare:

Lando hat gesagt…

Sehr ausführlich, aber sehr bedacht :-), dass müssen die so anfahren :-)